Johanna Bühler

Interrupted Space

Innenraum Collage
Kohlezeichnung 1
Kohlezeichnung 2

Es ist früher Abend als ich mit meinen kurzen, dünnen Beinen die steilen, knarrenden Holzstufen mühselig emporsteige. Meine Hand folgt dem glatten hölzernen Handlauf, an dem ich mich hochziehe und meine Augen blicken ins gräuliche Nichts. Es ist heiss und stickig, die Luft ist dick und steht buchstäblich im Raum, ein Gemisch aus Staub, Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit. Jeder Atemzug ist schwer und bleibt mir förmlich in der Kehle kleben. Es riecht nach Altem, muffig und moderig, aber zugleich auch nach trockenem, sprödem Holz. Vergangenheit. Verfall. Nun stehe ich in der Mitte eines rechteckigen Raumes, welcher sich zu beiden meiner Seiten in die Länge zum Giebel hin ausdehnt. Im letzten Sonnenstrahl tanzend, glitzern und wirbeln abertausende Staubkörnchen in der Luft umher. Geblendet vom Schein erforschen meine blinzelnden Augen den restlichen halbdunklen Raum. Es herrscht ohnmächtige Stille, welche lediglich ab und an durch das Knacken und Knarren des Gebälks unterbrochen wird. Der hölzerne Boden ist fahl und staubig. Die grossen Holzbretter biegen und wölben sich, breite Spalten und Risse sind die wahren Zeugen der Zeit. Zu meiner Linken sind es einige Schritte bis zum kleinen Fenster, durch welches noch die Strahlen der glühenden Abendsonne flirren. Mein Blick schweift über die Türme, des sich seit Jahrzehnten angesammelten Trödel, die Arbeitsgeräte und Dinge, die schon lange in Vergessenheit geraten sind, eingestaubt und in Kisten verpackt, voller Geschichten aus vergangenen Tagen. Jede Ecke ist zugestellt, dunkel und beinahe unheimlich. Zu meiner rechten, erstreckt sich ein kurzer, schmaler Durchgang, gesäumt von stapelhohen Zeitschriften, Kartons, bestickter Bettwäsche und Tischtüchern, Plunder und Kleider einer anderen Epoche. Das fahle Gegenlicht lässt alles verschwommen und unscharf wirken. An dessen Ende erblicke ich nur schwer Opas Arbeitstisch mit Dreibeinhocker. Darauf verteilt, unzählige auseinandergeschraubte und sorgsam sortierte Uhren. Von der Taschenuhr bis zur Kuckucksuhr. Vergangene Zeit. Verstrichene Zeit. Das Fenster über dem Tisch, trübe und vom Blütenstaub verklebt und von Zeitungsartikeln verhängt, lässt nur dumpfes, mattes Licht hindurch. Der First, scheint weit über mir zu ragen, Balkenwerk, aus massiven Kehlbalken und Streben. Vor und hinter mir laufen die langen Sparren fast auf Fussbodenhöhe spitzwinklig zu. Nostalgisch und ehrwürdig lehne ich mich über Opas Uhrensammlung und verfalle in Tagträumerei - bis mich ein lautes Knacken, der sich in der Hitze windenden Balken, aufschreckt und ich die Flucht ergreife.

Papiermodell 1
Papiermodell 2 / Prozessbild
Gussmodell 1
Gussmodell 2 / Atmosphärisches Bild