Ein Raum, wahrlich nur in der Erinnerung existierend, doch weit lebendiger als viele jetzige Räume. Ein Raum, verzerrt aus Wahrnehmung, Erinnerung und Träumereien. Ein Raum, wandelbar wie die vier Jahreszeiten. Ich spreche vom Eukalyptusbaum, welcher vor unserem Küchenfenster stand, zurechtgestutzt zu einem Kubus. Ein Baum - ein Raum? Bis zu dem Tag, an dem sich ein Federball im Baum verirrt hatte, war er für mich nur ein Baum, ein Objekt, ohne jeglichen Zweck und Nutzen. Mit seinen grossen, ovalen Blättern war er ein grünes Ungetüm, ein lebloser Klotz, welcher den Betrachter mit seinem dichten Blätterkleid zu täuschen versuchte. Die Suche nach dem Federball zwang mich, diesen dichten Vorhang von Blättern zu durchbrechen. Ich blinzle zweimal, bis sich meine Augen von dem grellen Sonnenlicht an die Dunkelheit des Schattens gewöhnt haben. Meine nackten Füsse fühlen die kalte, leicht feuchte Erde. Sprachlos bleibe ich stehen. Kann das wahr sein? Der massive grüne Klotz sieht von innen völlig anders aus! Vor mir steht ein knorriger, kniehoher Stamm, von welchem aus dunkelbraune Äste in alle Richtungen verzweigen. Es raschelt in den Blättern und mein Bruder kommt zum Vorschein. Gefesselt vom geräumig und verspielten Innenleben des Baumes, springt er von Ast zu Ast. Ich geniesse den Moment und lege mich rücklings auf einen dicken Seitenast, welcher einen Meter über dem Boden schwebt. Hier fühle ich mich in Sicherheit. Ich schliesse meine Augen und geniesse die angenehm kühle Luft. Geschützt vor Blicken lasse ich meiner Träumerei freien Lauf. Sie führt mich in den tiefsten Dschungel. Unter mir höre ich eine Schlange zischen. War das Rascheln ein Panther? Ich streife mit meinem Bruder durch das Dickicht, bis er mich zu seinem Piratenschiff führt, mit welchem wir die grössten Fluten bekämpfen. Das Essen ruft, doch beide wissen, dass dieser Ort in Zukunft viel zu erzählen haben wird.