Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Es war in einer kalten Winternacht, kurz vor Weihnachten. Einer dieser Tage, an der sich die Dunkelheit wie ein Schleier über die Stadt legte und die hell erleuchteten Fenster mit einer dicken Frostschicht überzogen waren. Wie jedes Jahr, in dieser Zeit, beschloss mein Vater mit uns ein Kirchenkonzert zu besuchen. Diese alljährlichen Ereignisse, stiessen bei uns Kindern auf wenig Begeisterung und wie immer, wurde die weihnachtliche Stimmung von Protesten und Widerworten begleitet.
Die beissende Kälte schien bis in meine Knochen vorzudringen, als wir endlich, am düsteren Kirchenparkplatz angekommen, auf dieses imposante Bauwerk zusteuerten. Als sich die schwere, doppelflügelige Tür mit einem lauten Knarren öffnete, wurde ich von dem mir darbietenden Anblick erschlagen. Imposanten Säulen, riesige tiefhängende Kronleuchter, eine hochverzierte Predigtkanzel, die üppig gewölbte Deckenbögen über dem thronenden Altar – alles in prunkvollem Gold getränkt. Das Gotteshaus verschmolz vor meinen Augen zu einer erdrückenden, homogenen Masse und stahl mir die Luft zum Atmen.
Von den Wänden raunte ein Stimmenwirrwarr, Gestalten in langen dunkeln Wintermäntel drängten sich auf der Suche nach den besten Plätzen im schmalen Korridor an mir vorbei und ich liess mich treiben. Auf dem Weg ins Innere wurde ich von biblischen Statuten begleitet, leiderfüllte Gesichter mit weit geöffneten Augen voller Schmerz. Mit jedem Schritt Richtung Altar spürte ich, wie die Angst in mir grösser wurde und mir Tränen in die Augen schossen. Als dann auch noch die Klänge des Chors ertönten, vergrub ich mein Gesicht in die schützenden Armen meines Vaters. Die Tränen liefen mir durch die gesamte Dauer des Konzerts über meine kleinen Backen. Ich hörte erst auf zu weinen, als ich völlig erschöpft auf der Heimfahrt einschlief.