Wenn ich an einen Raum meiner Kindheit denke, erinnere ich mich an das Ferienhaus meiner Schwester. Das Haus wurde Mitte 20 JH. gebaut und unterscheidet sich nicht von den typischen Gebäuden dieser Bauart. Das Haus hat zwei Stockwerke, eine alte steile Treppe führt nach oben, wo sich der Raum meiner Kindheit befindet. Alte Holzdielen knarren bei jedem Schritt und behalten die Geschichten des Hauses und seinen Bewohnern. Dieses Zimmer ist ein Kinderzimmer. Für uns Kinder war es damals lauschig, hell und gross. Wenn ich dort wieder kommen würde, würde ich den Maßstab anders wahrnehmen.
Gegenüber der Tür ist ein großes Fenster, dadurch morgens das Sonnenlicht fliesst, das uns, Kinder, als auch Vogelsang weckt. Aus dem Fenster öffnet sich eine schöne Aussicht in den Garten: alte Obstbäume, Gemüsebeeten, Rausch des Flusses und Waldes. Der Luft ist klar und frisch im Zimmer. Es riecht leicht nach getrockneten Kräuter und Holz.
Der Wind spielt mit den Spitzenvorhängen, als ob sie Blätter wären und fantasievolle Schattenrisse bewegen sich auf den Wänden und der Decke. Wir beobachten sie und probieren zu erraten, woran und an wen sie uns erinnern, welchen Gegenständen sie ähnlich sind. Einige Silhouetten sehen wie Tiere aus, andere wie Menschen oder Pflanzen. Sie erscheinen sich, ändern sich und verschwinden.
Die Wände sind mit Tapeten bedeckt und ihr feiner Muster verflechtet sich mit den Schatten.
Zwei gegenüberstehende Bette, ein alter Bürotisch am Fenster, zwei Wiener Stühle mit ihren charakterlichen Merkmalen, eine rechts vom Eingang grosse handgemachte Kiste, ein links vom Eingang eingebauter in die Wand Schrank gestalten die ganze Zimmereinrichtung auf.
Zwei Dachbalken bilden das Gewölbe der Decke, zwischen ihnen, in der Mitte des Zimmers hängt eine runde Lampe. Wir schalten sie abends ein, weil wir die meiste Zeit draußen verbringen. Für den Künstler Hundertwasser sei das Haus die dritte Haut des Menschen.
Warum ist mir dieses Zimmer eingefallen? Der Raum bekommt einen Wert dank der architektonischen Lösung und den Formen oder den Gefühlen und Träumereien, die uns dort berühren. Man könnte sich nicht an viele Details erinnern, aber man behält die Atmosphäre im Gedächtnis.