Sophie Borter

Risse und grüne Flecken

Innenraum Collage
Kohlezeichnung 1
Kohlezeichnung 2

Nach den langen Wintermonaten konnte ich den ersten Besuch im Wald kaum abwarten. Nur wenige Meter von unserem Zuhause entfernt lag ein kleines, überschaubares Wald-stück. Bereits anfangs März, wenn die Tage wieder länger wurden, konnte ich die Rückkehr des Sommers riechen und bald auch erste Anzeichen dafür sehen. Erst zartgrün und mit klei-nen Knospen und Blüten, dann in dichtem, dunklem Grün beginnt sich der Wald zu verwan-deln.

Ich verbrachte als Kind fast jede freie Minute im Wald. Versteckte mich im Unterholz, wäh-rend ich mit den anderen Kindern Räuber und Polizei spielte, Baumhütten und Höhlen baute. Der Wald war für mich stets ein Ort, an dem ich mich wohl fühlte. Ein Ort, an dem ich mei-nen Gedanken und meiner Fantasie freien Lauf lassen konnte. So geborgen und frei ich mich tagsüber im Wald bewegte, mit Einbruch der Dunkelheit, jagten mir die Formen und Kontu-ren des Waldes auch Angst ein und meine Gedanken verstrickten sich in den Schauerge-schichten, die wir Kinder uns gegenseitig erzählt haben.

Ich erinnere mich an die verschiedenen Farben und Formen und die Nuancen von Erd- und Grüntönen, welche sich mit dem Sonnenstand leicht veränderten. Dornen hinterliessen ab und an einen blutigen Kratzer auf meiner Haut und die Hände waren klebrig vom Harz der Bäume. Der Tag im Wald liess Risse und grüne Flecken auf meinen Kleidern zurück sowie Spinnweben und abgebrochene Zweige in meinem Haar.

Der Geruch des Waldes ist vielfältig und fast nicht zu beschreiben. Es roch nach reiner, fri-scher Luft, nach Erde, Holz, nach Regen und Tau. An schönen Tagen mischt sich die Luft mit dem Duft von gebratenen Würsten und dem stickigen Rauch des Feuers. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich das Rauschen der Bäume und das Singen der Vögel in den Baumwipfeln besonders gut wahrnehmen. Der Wald vermittelte mir immer das Gefühl einer eigenen Welt, abgekapselt und weit weg von der Realität, ein Rückzugsort, wo ich mitunter die schönsten Stunden meiner Kindheit verbrachte. Zu dieser Erinnerung gehört auch eine ver-traute Stimme, die mich allabendlich zum Essen nach Hause rief.

Papiermodell 1
Papiermodell 2 / Prozessbild
Gussmodell 1
Gussmodell 2 / Atmosphärisches Bild