Endlich! Nach vier für kurze Kinderbeine endlos scheinenden Treppen trete ich durch den Türrahmen, dessen Tür eigentlich immer geöffnet ist. Gegenüber, an der Wand hängt mein für die Grosseltern gebastelter Mannitou – meine Grossmutter nannte ihn ihren Schutzpatron. In dieser Küche ist man beschützt.
Meine Grossmutter sitzt an ihrem Stammplatz. Die Zigarette zwischen ihren Fingern verbreitet Dunst im ganzen Raum. Ich sehe ihn im schmalen Schein der herunterhängenden Lampe tanzen. An Vielem erkennt man, dass hier seit Jahrzehnten geraucht wird. Die Farbe der Fensterrähmen und Kästen ist mehr gelb als weiss und das altmodische Grün der Küchenschränke scheint schon eine Patina zu haben – so wie eigentlich alles eine Rauchpatina hat.
Der Zigarettenrauch hat mich nie gestört. Nein im Gegenteil sogar, diese Küche ohne den Rauch ist unvollständig, er gehört dazu. Und genauso wie der Rauch die Wohnung erfüllt, füllt mich ein Besuch bei meiner Grossmutter mit Freude, Ruhe und Wärme. Ich höre das Geräusch des metallenen Schwingbesens in der Pfanne, in der mein Grossvater die warme Milch für meine Cornflakes extra aufschäumt. Je nachdem, wie fest der Schaum ist, entsteht ein anderer Berg im Schäleli: der Tödi oder vielleicht nur der Burghügel? Solche Spiele in dieser Küche sind es, die mich tragen und mich einpacken. Und genau wie die Höhe des Milchschaumbergs können auch meine Erzählungen, Fantasien, Träume und Pläne jede Form, Grösse und Richtung annehmen, die sie wollen – alles hat Platz und alles darf sein.