Neva Vogel

Auf Zehenspitzen balancieren, um den Traum nicht aufzuwecken.

Innenraum Collage
Kohlezeichnung 1
Kohlezeichnung 2

Wenn ich an diesen Raum denke, habe ich das Gefühl aufzuwachen. Wenn ich das schnell aufkommende und wieder abklingende Rauschen der vorbeizischenden Lastwagen noch nicht wahrgenommen habe, sollte ich dringend versuchen, wieder einzuschlafen. Wenn es noch dunkel genug ist, dass ihre Scheinwerferlichter durch die Ritzen der dunkelgrünen Fensterläden Schatten an die Wand werfen dasselbe. Wenn es noch nicht nach den Aufbackbrötchen duftet, die auf dem Fensterbrett nebenan abkühlen, muss ich auch noch nicht aufstehen. Bei dieser herbstlichen Morgentemperatur, die durch das leicht geöffnete Fenster hinein und durch die leicht geöffnete Zimmertür wieder hinausdringt, sind nicht nur die Aufbackbrötchen im Nu kalt. Zum Glück scheint die Kälte an der sich eigentlich etwas zu schwer anfühlenden Bettdecke abzuprallen. Nur wenn ich tief einatme, kommt die Kälte durch meine Lungen ins Innere. Im Innern meines Bettes fühle ich praktisch nur das stellenweise unterschiedlich stark aufgeraute, dunkelblaue Frottee-Leintuch unter mir. Ansonsten ist innen alles weich und warm. Das Fenster nach aussen lasse ich immer offen, denn die selbstgeklöppelten Spitzenvorhänge direkt neben dem Bett riechen dezent abgestanden. Im Allgemeinen kenne ich wahrscheinlich keinen Ort, an dem es so widersprüchlich riecht, wie in meinem Schlafzimmer bei meinen Grosseltern. Einerseits nach der frischgewaschenen Wäsche die ganz durcheinander an dem sehr geordneten Bücherregal hängt und darauf wartet auf dem Bügelbrett, welches auch noch hier herumsteht, geglättet zu werden. Aber das Waschmittel ist eben doch nicht dasselbe wie zuhause. Und dort würde ich auch den erdigen Geruch des Miststocks nicht erahnen können, der gar nicht so stinkt wie man denken würde, wenn man ihn durch das Fenster in der Ferne in der feuchten Morgenluft dampfen sieht. Routiniert warte ich auf das Scheppern der über den Hof rollenden Blechschubkarre und den zittrigen Pantoffel-Schritten meiner Grossmutter auf den Holzdielen. Dabei mustere ich zum tausendsten Mal den gefilzten Dornröschen-Wandteppich über dem Bett. Vielleicht entdecke ich ja doch noch etwas Neues.

Papiermodell 1
Papiermodell 2 / Prozessbild
Gussmodell 1
Gussmodell 2 / Atmosphärisches Bild