Die Bodenfliesen fühlen sich wunderbar kühl an meinem überhitzten Körper an. Gedankenverloren streiche ich mit meiner Hand gegen die leicht gerippte Oberfläche und lasse mich von dem fliessenden Muster in den Fliesen leiten. Obwohl die Sommer auf der kleinen Insel Lampedusa brütend heiss werden können, ist es im Wohnzimmer in unserem kleinen Häuschen immer sehr kühl und das trotz des Mangels an Ventilatoren oder gar einer Klimaanlage. Heute herrscht der Maestrale, ein trockener und kühler Wind. Er bläst mit einer Unermüdlichkeit über den Balkon in das Wohnzimmer und bläht dabei die etwas sonnenvergilbten Vorhänge mit einem leisen whoosh immer wieder auf und ab. Bei einem besonders starken Windstoss erreicht mich der Vorhang und kitzelt mich leicht an meinem Knie. Ich schliesse die Augen, um der Helligkeit der Nachmittagssonne zu entkommen und atme tief ein, der Duft von Kerosin, Meer und Kaffee füllt meine Nase. Das Wohnzimmer ist wie auch der Rest des Hauses eher spärlich eingerichtet. Ein grosses Wandregal mit Büchern, Kinderzeichnungen, Erinnerungen, die meine Schwester und ich aus dem Meer gefischt haben und ein kleiner Fernseher, der je nach Windstärke aber nicht mehr funktioniert. Ansonsten verfügt der Raum noch über einen runden Esstisch aus Glas mit 5 Stühlen, ein zu weiches Doppelbett, das wir tagsüber als Sofa benutzen und einen kleinen Tisch am Nord-Fenster mit einem leise rauschenden Tiefkühler darunter. In der Decke neben dem Nord-Fenster klafft ein grosses Loch, das mit Hilfe einer wackligen Leiter auf das Dach führt. Als meine Eltern noch dachten, wir würden für immer auf Lampedusa wohnen, war der Plan, eine Wendeltreppe zu installieren. Aber so ist unser Haus, alt und unfertig, Windgekühlt aber doch auch heimelig warm. Mit der Meeresbriese in der Nase spüre ich wie sich meine Gedanken verlangsamen und ich wegdrifte.